
Verbreitung des Glaubens durch Predigt, Vollbringung karitativer Werke, Seelenführung und Schultätigkeit – so lautete der Auftrag, den Pabst Paul III. 1540 dem Jesuitenorden mit auf den Weg gab. Die Patres, die ihr Ideal von einer frommen, anspruchslosen Gemeinschaft ohne Privatbesitz des einzelnen verwirklichen wollten, sahen es als Herausforderung, dass ihnen 1588 die Ansiedlung in der Region Guairá in Paraguay gestattet und 1609 von Spanien das Recht zur Christianisierung der Guaraní-Indianer im gesamten Río-de-la-Plata-Becken verliehen wurde.
Eine erstaunliche Baukunst
Das Unternehmen war riskant, denn die Indianer galten als kriegerisch. Trotz anfänglicher Rückschläge gelang es den Jesuiten, das Vertrauen der Indianer zu gewinnen, nicht zuletzt, weil sie deren Sprache erlernten. Innerhalb der folgenden Jahrzehnte bauten die Patres 30 Siedlungen mit einer mustergültigen Sozialordnung auf, von denen sich nach den heutigen Landesgrenzen acht in Paraguay, 15 in Argentinien und sieben auf brasilianischem Gebiet befanden. In diesen Missionsdörfern, die als Reduktionen bezeichnet wurden, lebten und arbeiteten jeweils zwischen 5.000 und 10.000 Indios. Mit Hilfe der Jesuiten erlernten die Indios neue Ackerbaumethoden, die Baukunst, das Handwerk und die Viehzucht.Die Modellsiedlungen bildeten ein nahezu autonomes Gemeinwesen, das in seiner Blütezeit fast 200.000 Mitglieder umfasste.

Als “Jesuitenstaat von Paraguay” ist das in dieser Größenordnung beeindruckende sozialpolitische Experiment berühmt geworden. Es sollte rund anderthalb Jahrhunderte Bestand haben. Stellvertretend für die insgesamt 30 Missionsstationen der Jesuiten im Becken des Rio de la Plata wurden im Jahr 1993 zwei ehemalige Reduktionen von der UNESCO in die Liste der Weltkulturgüter aufgenommen. Die einst bedeutendste der Siedlungen, La Santísima Trinidad, eine Gründung aus dem Jahr 1706 von Priester Juan de Anaya, ist das Werk des berühmten Jesuiten-Architekten Juan Bautista Primoli. 1767 wurden jedoch die Jesuiten von den Spaniern vertrieben, im Anschluss daran verließen viele der Indios ihre Bleibe oder wurden versklavt. Die Reduktion war fortan dem Verfall preisgegeben. Die Ruinenstätte, die inzwischen restauriert wird, zeugt mit zahlreichen herrlichen Steinmetzarbeiten vom künstlerischen Talent der Guaraní.