Traditionen in der Weihnachtszeit unterscheiden sich auf der ganzen Welt und ich bin immer wieder froh, Bräuche kennenzulernen, die sich von meinen eigenen Erfahrungen und den typischen Weihnachtsfilmen aus den USA unterscheiden. Obwohl mein Freund aus Trinidad stammt und nicht müde wird, mir stolz zu zeigen, was dieses besondere karibische Land ausmacht, haben wir bisher wenig über Weihnachten gesprochen. Vielleicht auch, weil er normalerweise über die Feiertage nach Hause fliegt und ich bei meiner Familie bleibe. Doch dieses Jahr ist alles anders. Das Coronavirus und geschlossene Grenzen zwingen ihn praktisch dazu, dieses Weihnachten zum ersten Mal nicht in Trinidad zu verbringen. Umso passender finde ich es, mich mit den Weihnachtstraditionen in Trinidad und Tobago auseinanderzusetzen und zu verstehen, was er dieses Jahr vermissen wird (und was nicht).

Weihnachtsvorbereitungen
Wie auch bei uns fangen die Vorfreude und die Weihnachtsvorbereitungen schon deutlich früher an als die Feiertage selbst. Doch Trinbagonians (eine Bezeichnung, die Einwohner Trinidad und Tobagos zugleich umfasst) nehmen es mit den Vorbereitungen besonders ernst. Statt dem Frühjahrsputz gibt es hier den Weihnachtsputz. Das umfasst das Ausmisten der Schränke und reges Aussortieren von Dingen, die nicht mehr gebraucht werden. Das besondere Geschirr wird gewaschen und in Vitrinen zur Schau gestellt. Fenster im ganzen Haus und auch der Fußboden werden auf Hochglanz gebracht. Und dann geht man noch einen Schritt weiter und streicht die Außenfassaden des Hauses.
Während einige Haushalte schon Monate vorher mit den Vorkehrungen anfangen, berichten sowohl mein Freund als auch seine Mutter von einem bestimmten Putztag, auf den mit gemischten Gefühlen geblickt wird, um es mal vorsichtig auszudrücken. Mein Freund ist jedenfalls froh, dass er inzwischen immer außer Landes ist und diesen Tag nicht mehr miterleben muss. Aber egal ob früh im Voraus oder auf den letzten Drücker: Am Weihnachtsmorgen muss alles brandneu aussehen!
Auffällig ist außerdem, dass für das Wohnzimmer und die Küche traditionell neue Vorhänge gekauft werden und das jedes Jahr. Auf dem Esstisch und in den Badezimmer werden dazu passende Tischdecken ausgelegt. Die Mutter meines Freundes sagt mir scherzhaft: “A real Trini makes sure that these things are new every year.” Dabei hat mein Freund mir schon verraten, dass seine Familie zwar ein anderes Paar Vorhänge aufhängt, diese aber nicht unbedingt immer neu sind. Ich selbst frage mich ja, wo all die Mengen an Tischdecken und Vorhängen später aufbewahrt werden… 😉
Parang
Eine ganz besondere Tradition ist die Parangmusik und das House Parang – also das Ziehen der Paranggruppen von Haus zu Haus. Als Parang bezeichnet man Lieder, die in kreolischem Spanisch gesungen werden und traditionell das christliche Weihnachtsfest, insbesondere die Geburt Christi behandeln. Inzwischen sind die Texte jedoch nicht mehr nur darauf beschränkt, so dass auch über das Weihnachtsfest selbst gesungen wird. Eine bunte Mischung an Parang könnt ihr euch hier anhören:
Eine Parangband besteht aus einer Gruppe an Sängern, die von Musikern begleitet werden, die mindestens die venezolanische, vierseitige Gitarre Cuatro als Melodieinstrument spielen und den typischen Rhythmus mit einer Box Base (trinidadisches Zupfinstrument, bestehend aus einer Box und einem Stab mit einer einzelnen Saite), Maracas (auch shak shak, Gefäßrasseln) und den Klanghölzern Claves erzeugen. Auch ein*e Gitarrist*in ist inzwischen üblich. Die spanischen Texte stammen aus venezolanischen Einflüssen und werden mit den kreolischen Rhythmen gepaart und kreieren so den unverwechselbaren Sound. Im Übrigen singen die Sänger der Parangbands zwar häufig auf Spanisch, sprechen die Sprache sonst aber eigentlich nicht.
Die Gruppen kommen zusammen und proben für den jährlichen Start in die Parang Saison Ende September. Inzwischen gibt es auch Wettbewerbe, an denen teilgenommen werden kann. Generell wird auf verschiedenen Veranstaltungen auf den beiden Schwesterninseln aufgetreten. Bekanntere Bands erhalten schon mal Einladungen zu größeren Festen und werden dann auch bezahlt.
Die Mutter meines Freundes berichtet mir noch von der einstigen Tradition des House Parang. An Heiligabend und am Weihnachtstag zogen Parangbands in ihrer Gemeinde von Haus zu Haus. Das nennt man dann “paranging”. Am ehesten ist dies vielleicht mit dem Christmas Caroling in den USA vergleichbar. Jedoch erfahre ich, dass die Parangbands in Trinidad und Tobago als Gegenleistung für ihre Darbietung ins Haus eingeladen und mit Köstlichkeiten und dem ein oder anderen Umtrunk versorgt werden. Das klingt durchaus nach einer Tradition, mit der ich mich anfreunden könnte. Allerdings werden die House Parangs inzwischen immer seltener. Wer mehr über Parangmusik erfahren möchte, kann diese interessante Dokumentation anschauen und besonders: anhören!
Essen und Trinken in der Weihnachtszeit
Eines meiner Lieblingsthemen sind die kulinarischen Genüsse der karibischen Inseln. Während meiner Besuche durfte ich schon die ein oder andere Spezialität Trinidad und Tobagos probieren. Doch auch zu Weihnachten wird mal wieder einiges aufgetischt. Generell serviert man für Familie und Freunde ein riesiges Buffet. Dazu bringen Gäste auch gerne ihren Anteil mit. Einige Gerichte und Getränke, die wirklich hauptsächlich an Weihnachten aufgetischt werden, erkläre ich hier genauer.
Ham (Schweinebraten)
Der Christmas Ham ist das typische Weihnachtsessen in Trinidad und Tobago. Dieser wird an einem der Weihnachtstage auf jeden Fall zubereitet. Gerne serviert man ihn mit weiterem Fleisch wie Truthahn und/oder Hähnchen, Pute oder auch wildem Fleisch wie beispielsweise Aguti oder was eben gerade gefangen wurde. Als Beilage gibt es das Nationalgericht Callalloo. Dies ist ein Eintopf aus Dasheen (auch: Taro), der vom Aussehen an Spinat erinnert. Die Zubereitung variiert auf jeder der karibischen Inseln. Zusätzlich ist selbstgemachtes Hopfenbrot gängig.
Pastelles
Pastelles sind ein gängiges Street Food Gericht zur Weihnachtszeit und können oft von mobilen Verkäufern am Straßenrand oder auf Plätzen erworben werden. In der Familie meines Freundes wird die Herstellung jedoch zelebriert. Mutter und Tante treffen sich in der Vorweihnachtszeit und bereiten einen Tag lang die Maisfladen mit Fleischfüllung vor, die dann in Soharee- oder Bananenblätter gewickelt und gedämpft oder gekocht werden. Die Ration reicht dann für die ganzen Weihnachtsfeierlichkeiten und der Rest wird eingefroren. Wir haben ein Rezept der venezolanischen Version Hallacas vorbereitet, das Ihr euch gerne anschauen könnt.
Black Cake
Der klassische Nachtisch von Trinidad und Tobagos Weihnachtsessen ist der Black Cake. Für diesen Fruchtkuchen werden Früchte in Alkohol (hauptsächlich Rum) eingelegt. Meine “Schwiegermutter” erzählt mir, dass die besten Bäcker sich damit rühmen, ihre Früchte schon im Vorjahr einzulegen. Dabei handelt es sich um Rosinen, Backpflaumen, Datteln und Kirschen, die kleingeschnitten oder zerdrückt und in den Alkohol gelegt werden. Neben Rum kann dabei auch Wein oder Brandy verwendet werden, je nach Familienrezept. Beim Mixen in den Teig wird auch brauner Zucker hinzugefügt, der eine schöne Karamell-Note bewirkt. Nach dem Backen wird der Kuchen dann noch einmal mit Rum übergossen, um ihn haltbarer zu machen.
Bei diesen Erzählungen beginne ich langsam die Bedeutung des Rums in Trinidad und Tobagos zu begreifen.

Sorrel und Ponche-de-Creme
Natürlich wird zu Weihnachten auch ordentlich getrunken. Gerne wird der gute Rum aus dem Schrank geholt und verteilt. Ich erinnere mich jedoch, dass mein Freund mir mal erzählt hat, dass sein Vater die ganz besonderen Flaschen erst hervorholt, wenn die Gäste wieder gegangen sind 😉 …
Ansonsten trinkt man gerne Ponche-de-Creme, was nichts anderes als “Punch with Cream” im kreolischen Akzent des Inselstaates bedeutet. Dazu werden rohe Eier mit gesüßter Kondensmilch, Kondensmilch, frischer Milch und etwas Muskatnuss gemischt. Dann wird ordentlich Rum hinzugefügt. Das gefährliche daran ist, dass man Ponche-de-Creme den ganzen Tag über trinkt und gar nicht merkt, wie der Rum dabei auf einen wirkt. Mein Freund konnte schon das ein oder andere Weihnachtsfest plötzlich nur noch schwer vom Sofa aufstehen.
Sorrel ist ein Getränk, das sowohl kalt als auch warm getrunken werden kann. Es wird aus einer karibischen Version der Roselle-Pflanze (Hibiscus sabdariffa) gewonnen. Die getrockneten Blüten werden mit Zucker, Zimtstangen, ganzen Nelken und Orangenschalen in reichlich Wasser eingekocht und dann gekühlt. Wenn es vor dem Trinken erhitzt wird, erinnert es stark an Kinderpunsch. Nicht selten wird Sorrel für die Erwachsenen mit etwas – Ihr ahnt es – Rum versetzt.

Das Weihnachtsfest
Weihnachten in Trinidad und Tobago ist ein sehr freudiger Anlass. Für viele gehört der Gang zur Kirche an Heiligabend dazu, um an der Mitternachtsmesse teilzunehmen. Gefeiert wird dann am 25. Dezember. Am Morgen findet, oft noch im Schlafanzug, die Bescherung statt. Mein Freund, die Schlafmütze, beschwert sich gerne mal darüber, dass seine Mutter auch jetzt, wo die kindliche Neugier vorbei ist, noch auf ein gemeinsames Aufstehen um 7 Uhr besteht. Im Laufe des Tages werden dann entweder Verwandte und Freunde besucht oder zu sich eingeladen, um das gemachte Haus zur Schau zu stellen und gemeinsam zu essen. Insgesamt klingt Weihnachten in Trinidad und Tobago nach einem sehr fröhlichem Fest. Oder wie der echte Trini sagt: A big lime!
Auch Weihnachtsbäume sind überall gegenwärtig, die meisten sind jedoch künstlich. In der Vergangenheit wurden auch echte Bäume importiert, das stellte sich im tropischen Klima Trinidad und Tobagos jedoch schnell als unpraktisch heraus. Dafür können Trinbagonians die freien Tage nutzen, um an den Strand zu fahren. Das macht Weihnachten in der Karibik perfekt.
Die Weihnachtszeit leitet übrigens fast übergangslos die Karnevalszeit ein. Ab dem ersten Januar-Wochenende fangen die ersten Soca-Partys an, der Musikrichtung der karibischen Karnevals-Kultur.
Habt Ihr Lust mehr über Trinidad und Tobago und die unbeschreibliche Natur des Landes zu erfahren? Dann lest gerne unseren Artikel über Naturschauplätze in Trinidad und Tobago. Dort stellen wir Euch fünf Attraktionen vor, die Ihr unbedingt gesehen haben solltet.